Rettung ist möglich - Interview mit Dr. Helga Kromp-Kolb
Dr. Helga Kromp-Kolb ist Österreichs Grande Dame im Bereich Klimaschutz. Ob die Klimakatastrophe verhindert werden kann und was dazu nötig wäre, erklärt sie im Interview.
Von Wolfgang Knabl
Tödliche Hitzewellen, Unwetter, Dürren, Hochwasser, Hungersnöte, schmelzende Permafrostböden, Waldbrände – die Folgen der globalen Erwärmung drohen katastrophal zu werden. Allen Warnungen zum Trotz bläst die Menschheit immer mehr Treibhausgase in die Luft.
tele: Kann der Klimawandel noch gestoppt werden?
Helga Kromp-Kolb: Aus wissenschaftlicher Sicht wäre das durchaus möglich. Politik und Gesellschaft müssen wirklich alles tun, um das zu erreichen. Schaffen wir es nicht, wird es schlimm.
Was können wir tun?
Jeder kann etwas beitragen, auch bei Wahlen. Politisches Handeln ist unverzichtbar, um den Klimawandel zu stoppen. Also brauchen wir Wahlergebnisse, die dieses Handeln ermöglichen.
Was passiert, wenn wir nicht gegensteuern?
Katastrophale Entwicklungen zeichnen sich bereits ab und werden sich verschärfen. Forstwirte berichten verzweifelt von Sturmkatastrophen, Schneelast-Katastrophen, Borkenkäfer-Katastrophen. Der Wald wird dünner, extreme Wetterlagen halten länger an. Außerdem wird der Klimawandel dramatische politischen Unruhen, den Zusammenbruch von Zivilisationen und Ordnungsstrukturen auslösen. Oft führen ja externe Ereignisse wie aktuell die Corona-Krise dazu, dass Unzufriedenheit in politischen Unruhen mündet. Ressourcenmangel wird Flüchtlingsströme verstärken, und zu militärischen Interventionen führen, wenn Staaten Wasser oder nutzbares Land brauchen.
Was kann der Einzelne tun?
Ein wichtiger Bereich ist die Mobilität. Elektroautos sind sicher ein Teil der Lösung, am besten in einem Sharing-System. Wo möglich, kann man zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren. Die Politik muss den öffentlichen Verkehr stärken. Beim Wohnen ist es wichtig, dass Gebäude gut gedämmt sind, gegen Hitze und Kälte schützen. Energie sollte aus erneuerbaren Quellen kommen, und sparsam genutzt werden. Das alles ist wirklich notwendig! Man kann nicht immer sagen: Es geht noch, es wird schon. Wir müssen die entsprechenden Maßnahmen zeitgerecht umsetzen. Und gleichzeitig überlegen: Wie überleben wir diese Krise? Wie können wir einen Rest an Lebensqualität bewahren? Und zwar nicht nur für uns, sondern möglichst für alle Menschen.
Sollten wir radikale Maßnahmen setzen, wie bei der Corona-Krise?
Maßnahmen gegen den Klimawandel sollte man nicht so abrupt initiieren, das verursacht Verwerfungen. Aber eine starke Reduktion des Flugverkehrs wäre extrem wichtig. Eine europäische Lösung für Langstreckenflüge, dazu starke Zugverbindungen – das wäre sehr sinnvoll.
Hat der Lockdown dem Klima genützt?
Die Reduktion der Treibhausgase hat uns etwa ein Monat bis ein halbes Jahr gebracht. Das Fehlen politischer Maßnahmen in dieser Zeit hat aber viel mehr Schaden angerichtet.
Was müsste die Politik tun?
Die Politik müsste den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda setzen – aber nicht als einen isolierten Bereich. Jede Entscheidung aus jedem Bereich müsste geprüft werden, ob sie klimafreundlich ist. Es wäre möglich, das nötige Wissen haben wir. Positiv ist, dass diese Veränderungen keinen Verzicht, sondern mehr Lebensqualität für Produzenten und Konsumenten bedeuten würden. Zum Beispiel: Gesunde Lebensmittel und lange funktionierende, recyclierbare QualitätsProdukte.
Was sagen Sie jemandem, für den der Klimawandel nicht existiert?
Die Situation ist so schlimm, dass Leugnen kurzfristig eine psychohygienisch sinnvolle Maßnahme ist. Langfristig zahlt sich eine Lebenslüge aber nicht aus. Es lohnt sich, der Realität ins Auge zu blicken und sich entsprechend zu verhalten.
BUCHTIPP:
Dr. Helga Kromp-Kolb & Herbert Formayer: „Plus 2 Grad“
Auswege aus der Klimakrise. Mit Tipps, wie man selbst die Welt verändern kann.
208 Seiten | € 23,– | Molden-Verlag